Nur viel bringt viel? Ich habe eine andere Sicht auf die Dinge und es geht hier um eine Lösung, den Spaß am Laufen mit dem Anspruch an die eigene Leistung zu verbinden.
Kennst du sie auch, Trainingsweltmeister, die wie die Irren tagein, tagaus trainieren, was das Zeug hält und dann am Tag X nichts davon abrufen können?
Zugegeben, ich war auch mal eine zeitlang auf dieser Spur unterwegs.
Es gab Zeiten, da lief ich 120-160 Kilometer in der Woche. Es waren nur kurze Perioden in der Vorbereitung auf einen 7-Tages Etappenlauf im Schweizer Jura. Dort waren insgesamt 350 Kilometer zu laufen und davon im Schnitt rund 50 Kilometer pro Tag, ganz zu schweigen von einigen Höhenmetern hoch und runter.
Aber ich realisierte schnell, wie schmal der Grat war, auf dem ich mich da bewegte - und zahlte einen hohen Preis. Das Ego in mir wollte unbedingt die Kilometer schrubben, und der Körper begann sich zu wehren - mit einem Zipperlein hier und dort.
Oft übergehen wir diese Signale in der Annahme, dass mehr Training auch mehr bringt.
Das Gegenteil ist der Fall.
Es ist schwer, diese Erkenntnis anzuerkennen, denn kaum zu übersehen ist die Flut an Beiträgen auf allen möglichen Social-Media-Kanälen von Athleten, die nichts anderes zu tun scheinen als zu trainieren. Da wird penibel analysiert, dokumentiert und optimiert.
Und dann, an der Startlinie stehend, geht oft nichts mehr.
Akute Magenprobleme machen plötzlich einen Strich durch die Rechnung oder die Muskeln fühlen sich schwer an. Das Selbstvertrauen schwindet mit jeder Sekunde. Am Ende springt, wenn überhaupt, ein Ergebnis auf den hinteren Plätzen heraus.
Der Trainingsweltmeister, von Natur aus ambitioniert und stets nach Verbesserung der Leistung strebend, merkt an: „War einfach nicht mein Tag heute“ oder „Eigentlich geht noch mehr.“
Kennst du das auch?
Das schon fast zwanghafte Bedürfnis, trainieren zu müssen, da du denkst, dir fehlt sonst hier und da noch ein Kilometer? Oder ein schlechtes Gewissen dir selbst gegenüber, doch nicht einfach mal die Füße hochlegen zu können und nichts tun zu müssen?
Dahinter versteckt sich oft unbewusst die Überzeugung, dass nur viel auch viel bringt. Also muss weiter fleißig trainiert werden.
Es ist ein Trugschluss und dennoch weit verbreitet im Ausdauerlaufen, auch auf den kürzeren Strecken. Da vergleicht man sich teils mit Profiathleten oder/und Kameraden aus dem Verein und geht auf Nachahmungskurs.
Worum geht es wirklich?
Mit unseren ganzen familiären und partnerschaftlichen Verpflichtungen und einem viel Zeit einnehmenden Job nachgehend, ist es an der Zeit, sich nach anderen Methoden umzuschauen, um unsere Ziele zu erreichen.
Denn am Ende steht die Frage: Worum geht es wirklich?
Steht echter Spaß an der Bewegung im Vordergrund oder beißt du dir schon länger auf die Zähne und suchst verzweifelt nach einer Lösung, wie du Spaß mit Anspruch verbinden kannst?
Beides geht. Ohne dich langfristig zu verheizen.
An den 3 folgenden Signalen kannst du erkennen, ob du dabei bist, zum Trainingsweltmeister zu mutieren - oder bereits schon einer bist:
- Du schaust dich um, was andere machen, und legst deine Latte immer ein bisschen höher. Hauptsache, du hast mehr gemacht und: Was der/die kann, kannst du noch besser.
- Du bist hauptsächlich auf deine körperliche Leistung fokussiert und lässt das Mentale außer Acht, übergehst auch gern ein Wehwehchen oder gar Verletzung
- Du hast gelernt zu glauben, dass möglichst viel auch viel bringt. Oder: Nur harte Arbeit wird mit Erfolg belohnt.
Lang und viel war gestern. Doch das ist leichter gesagt als getan, wenn du bereits länger in dieser Spirale deine Runden drehst.
Vor einigen Jahren schnappte ich folgenden Satz auf: "Trainiere wie ein Amateur mit der Haltung eines Champions."
Lange grübelte ich darüber nach, was diese recht platte Aussage bedeutet.
Ganz schlau wurde ich nie draus, doch ich folgte einem inneren Ruf, mich mehr im Kopf mit dem Laufen auseinanderzusetzen und mich mittels verschiedener Techniken auf einen spezifischen Abschnitt im Rennen vorzubereiten anstatt Kilometer zu schrubben.
Die Kraft der Vorstellung
Das Gehirn kann nicht unterscheiden, ob eine Situation bereits Realität ist oder „nur“ im Kopf gedacht ist.
In einer Studie wurden Basketballspieler in drei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe sollte sich 30 Tage lang einen bestimmten Wurf vorstellen, die zweite trainierte aktiv 30 Tage lang den speziellen Wurf und die dritte Gruppe tat nichts.
Das Ergebnis: Gruppe eins verbesserte den Wurf um 24 Prozent, Gruppe zwei um 23(!) Prozent und bei der dritten waren keine Verbesserungen zu verzeichnen.
Nutze die Kraft der Vorstellung und mach dir mehr Kopf anstatt noch eine Einheit dranzuhängen. Ich nutzte die Technik das erste Mal vor einem 12-Stunden-Lauf, der auf einer 960 Meter langen Runde stattfand.
Ich ersetzte einige Läufe mit Mentaltraining, indem ich mir immer wieder vorstellte, wie ich stetig und locker meine Runden drehe. Im Rennen übertraf ich mein ursprüngliches Ziel dann um einige Kilometer.
Wie kannst du als Läufer, egal mit welchem Anspruch, diese Methode auf dich anwenden, um dir den Spaß in Verbindung mit deinem Leistungsanspruch zu bewahren?
- Setze dir ein konkretes Ziel, zum Beispiel: Wo will ich in drei Monaten stehen? Das bedeutet nicht, dass du einen Wettkampf laufen musst. Ein Ziel ist auch zu formulieren: In drei Monaten schaffe ich das erste Mal zehn Kilometer am Stück.
- Plane deine Einheiten ein wie einen Arzttermin oder wichtiges Meeting und speichere diese im Kalender und im Smartphone.
- Versuch's mal mit weniger. Anstatt eben wie ein Weltmeister zu trainieren, bis die Füße brennen, plane bewusst weniger Einheiten ein, etwa vier anstatt sechs oder sieben, und beobachte, was passiert.
Sei gut zu dir: Du machst genug!
Finde Genuss im Sein, beim Laufen, dem Entdecken neuer Möglichkeiten und der Erweiterung deines Horizonts. Je mehr es dir gelingt, dich vom inneren Druck und äußeren Einflüssen nicht beeinträchtigen zu lassen, umso erfolgreicher kannst du sein.
Teile gern deine Erfahrungen in den Kommentaren? Worin findest du dich eher wieder?
Schreibe einen Kommentar