Wie ich 12x den Mt. Everest bestieg

Natürlich ist es übertrieben zu behaupten, zwölfmal den Mount Everest (8848 m) bestiegen zu haben.

Und doch ist es wahr. 

Mit dem Unterschied, dass ich nicht die klassische Route hinauf geklettert bin, sondern auf verschiedenen Wegen in den französischen Alpen und den bayerischen Voralpen meine persönlichen Everests erklommen habe. 

105 335 Höhenmeter im Aufstieg kamen 2019 zusammen, verteilt auf 9 Monate, denn rund 10 Wochen war ich am Fuß verletzt und konnte nur bedingt am Berg trainieren.

Weitere 3 Wochen hielt ich mich am Meer auf, wo es ja bekanntlich flach ist. Teilt man die 105 000 Höhenmeter in 9 Stücke auf, macht das 11 703 Hm pro Monat und 2925 m im Anstieg pro Woche.

In Gefilden, den Garmischer Bergen, ist das durchaus sehr machbar. Und somit rückt alles in andere Relationen. Denn was zunächst als Ergebnis irgendwo steht, ist nur der gesamte Kuchen, das Ergebnis aus vielen einzelnen Elementen. Und beim Anblick eines schönen Kuchens oder einer leckeren Sahnetorte kommt man oft aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Zweifelt, so etwas jemals selbst zu können. Fragt sich, wie jemand so etwas überhaupt hinbekommt.

Genauso wie noch kein Patissier vom Himmel gefallen ist, ist es auch kein (Ultra)läufer. Was uns auf den ersten Blick beeindrucken mag, ist in Wirklichkeit nur das i-Tüpfelchen.

Dahinter stecken jahrelanges Ausprobieren und Verfeinern verschiedenster Rezepte, aufs Laufen bezogen entsprechend Trainingsmethoden und viele, viele Stunden einsamen Trainings auch an Tagen, an denen die Motivation erst aus dem Keller gelockt werden muss. Ohne Teig kein Kuchen und ohne Zutaten kein Teig.

Werden diese dann nicht im ersten Schritt zu einem Teig verarbeitet, anschliessend in eine Kuchenform gepresst, der Boden dann mit einer Füllung übergossen und zum Schluß mit einer letzten Schicht überzogen, wird kein Kuchen oder eben keine Torte daraus. Und erst wenn das gute, duftende Stück zum Abkühlen aus dem Ofen oder aus dem Kühlschrank genommen wird, ist das fertige Ergebnis sichtbar. Vorher nicht. 

Genauso ist es auch beim Lauftraining. Du siehst die Zahl 105 000 und denkst vielleicht, ist ja easy, ich bin auf 150 000 gekommen oder, herrje, das ist ja übermenschlich. Erst wenn du die Schritte dahinter anschaust, kannst du verstehen, dass so etwas für die meisten Läufer, die fit sind, möglich ist.

Es ist kein Hexenwerk und ein magisches Rezept gibt es auch nicht. Der Weg ist immer das Ziel. Und für jedes Ziel, sprich jeden Kuchen - dein Wettkampf oder Laufprojekt - sind andere Zutaten notwendig.

Du musst genau wissen, welche du benötigst, um deinen Kuchen am Ende fertig aus dem Ofen zu nehmen und genüßlich ein Stück davon zu probieren. 

Die meisten Läufer scheuen davor zurück, alles, was sie brauchen, in die Schüssel zu legen, damit daraus ein Teig werden kann. Noch schlimmer, sie kennen nicht genau die Zutaten, die sie brauchen, um alles auf den Weg zu bringen.

Wenn ich für einen Lauf trainiere, bei dem tausende von Höhenmetern zu meistern sind, kann ich nicht nur im Flachen trainieren, sondern finde einen Weg, irgendwo die Höhenmeter zu trainieren. 

Dasselbe gilt für das Beispiel des Kuchens: wenn ich Schokoladenkuchen machen möchte, kann ich nicht nur Mehl, Butter, Eier und Zucker nehmen, sondern muss die Schokolade mit in den Teig rühren. Manche Teige geraten ins Stocken, werden zäh und irgendwann bleiben die Knethaken stecken. Um dein Ziel zu erreichen, mußt du bis zum Ende durchziehen.

So lange, bis die Masse weich wird, sprich, dein Training rund läuft und du darauf aufbauen kannst. Manchmal ist es notwendig, etwas mehr Intervalle oder lange Läufe einzustreuen, um dein Fundament, den Teig, glatter zu streichen. Erst aus einem glatten Teig wird auch ein feiner Kuchen, der nicht in sich zerfällt.

So wie dein Körper.

Läuft die Maschine rund, gibt es auch nicht zu befürchten, dass irgendetwas in sich zusammenbricht wie ein Kartenhaus. Kein leckerer Kuchen ist nach dem Zufallsprinzip entstanden.

Allem Erfolgreichen, was du siehst, unterliegt eine genaue Rezeptur mit den entsprechenden Zutaten. Um deine persönlichen Mount Everests zu erklimmen, kann es dir helfen, nicht schon beim Anblick des Gipfels zu verzweifeln, sondern dir einen Plan zu machen, was es braucht, um hinaufzuklettern, maßgeschneidert auf deine Ziele, ob dies nun Wettkämpfe sind oder eigene Laufprojekte. 

Dieses "Everest-Prinzip" hat mir auch 2019 geholfen. Ich wollte wieder wie schon in 2018 die 100 000 Höhenmeter-Marke knacken. Ehrlich gesagt, hatte ich sogar 130 000 angepeilt.

Einfach für mich, weil ich Lust hatte und wusste, dass es für das Rennen, das ich vorhatte, sehr viele Höhenmeter an Training brauchte und das machbar war.Ob du einen Everest besteigen willst und etwas Höhenluft schnuppern willst oder dir gleich mehrere Besteigungen zutraust, hängt ganz von dir ab.

Beginne mit dem ersten Schritt, werfe die erste Zutat in die Schüssel und mache dich auf den Weg.   

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