TRAILRUNNING MIT ANNA C. HUGHES

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Ich kneife oder wenn weniger mehr ist

Da war es noch etwas ruhiger am Strand von Mahdia, Tunesien

Wieder so ein Morgen. Ich wache kurz vor 7 auf, habe Lust in den Tag zu starten, bin zunächst motiviert. Auch wenn die Nacht mal wieder nicht durch ein angenehmes Durchschlafen auffiel. Der Schlaf und ich - wir sind schon seit einer Weile keine besten Freunde mehr.

Das war mal anders. Egal, was so los war im Leben, auf den Schlaf war Verlass. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal sieben oder acht Stunden am Stück geschlafen habe.

Ein gewisses Maß an Schlafmangel wäre nicht weiter schlimm, wäre da nicht das große Ziel, dass sich eher wie ein zu fester Griff im Nacken anfühlt als etwas das mich beflügelt. Da ist dieser Widerstand in mir laufen zu gehen. Die Motivation geht erst mal eine Runde flöten.

Ich habe auch schon begeistertere Zeiten gesehen

Ich wollte mal wieder einen 100-km Ultramarathon laufen. 2018 lief ich das letzte Mal so eine Distanz, im Hochgebirge des Monte Rosas, nach einer wie ich dachte idealen Vorbereitung. Ich finishte so jenseits meines Könnens, dass es schon nach 25 Kilometern nur noch um die Frage ging: Weitermachen oder aussteigen?

Ich zog durch.

Dann viele Jahre nichts außer viele Einheiten am Berg, weil das Training so viel Spaß machte. Wettkämpfen blieb ich bis 2022 fern. In der Wüste Tunesiens zündete ich das Feuer fürs Ultralaufen wieder an, lief seither fünf Ultramarathons zwischen 50 und 70 Kilometern. Vier davon gewann ich, einmal stanzte ich den alten Streckenrekord ein. Ich glaubte wieder an mich. Wettkämpfe sind nun mal ein Messen, ein Zeigen, was geht.

Also lag das Ziel, es wieder mit 100 Kilometern aufzunehmen, nah. Vor ein paar Wochen meldete ich mich beim Ultra Mirage für Ende September an. Und hatte richtig Bock aufs Training.

Panther, unsere neue Fellnase, zog Ende April bei uns ein. Ein wunderbarer Junghund, der sich immer noch an viele neue Situationen hier in Tunesien gewöhnen muss.

Ich bemerkte einen shift, wie sich die Prioritäten zu verschieben begannen und ich immer wieder hinterfragte:

Ist es tatsächlich das, was ich will?

Bin ich wirklich bereit, das Training für eine solch lange Distanz durchzuziehen?

Mein Kopf sagte deutlich “ja”, mein Herz wehrte sich. Abermals schnürte ich meine Laufschuhe. Die Intervalltrainings machten mir besonders Spaß und auch in längere Läufe fand ich wieder rein.

Vor einer Woche dann diese bleierne Müdigkeit im Körper, die sich wie ein Hangover anfühlte. Nur dass ich keinen Alkohol getrunken hatte. Übertraining konnte ich ausschließen. Ich verordnete mir drei Tage Laufpause, atmete tief durch und widmete mich anderen wichtigen Dingen. Kam voran und merkte, dass das stringente Laufen in den Hintergrund rückte.

Darf ja auch mal sein nach über 30 Jahren in diesem vielseitigen Sport, der längst zum Lifestyle geworden ist. Auch ein Lifestyle verändert sich.

Zurzeit stecke ich neben meiner Arbeit als Laufcoach mitten in meiner Ausbildung zur Journalistin. Ich will die Qualifikation schaffen und mich im Training nicht so müde laufen, dass die Hirnzellen schrumpfen und ich deutlich mehr Erholungszeit brauche als ich mir leisten kann.

Panther, the Whippet, übt zudem eine solche Ruhe und Gelassenheit auf mich aus, dass ich gar keinen Bock habe, stundenlang in der Wärme - ab Juli dann Hitze - zu laufen und mich durch umher irrende Touristenscharen, die mittlerweile die Strände hier besiedeln, zu schlängeln.

Fuß vom Gas also.

Ich bin kein Profi. Ich bin an keine Verträge mit Sponsoren gebunden. Ich laufe, weil ich Spaß haben und mich gut fühlen will. Momentan bin ich nicht bereit, mich richtig doll anzustrengen, so wie das nun mal nötig wäre für einen 100er.

Einen 50er kann ich mir mit relativ wenig Aufwand aus den Pobacken schütteln, ohne dass dabei andere, wichtigere Dinge nach hinten fallen.

Und dann wäre da noch dieser Wüstenlauf Mitte Januar, auch hier in Tunesien.

Auch ein 100er steht zur Auswahl. Mein Herzlein springt ein wenig bei diesem Gedanken. Denn mein Teller wird dann leerer sein als jetzt. Das Klima besser zum trainieren. Der Hund ein Stück mehr angekommen sein.

Ego aus, Herz an!

Ich stopfe mir mein Leben weniger voll, will nicht mehr so durchs Leben hetzen, ständig an alles einen Haken machen.

Am Montag lief ich wieder ein Intervall. Zugegeben, ich war dann auch nicht mehr zu viel zu gebrauchen an dem Tag, aber dafür ist kein Müssen mehr an mein Training gebunden. Ich laufe, wenn mir danach ist und wenn nicht, ist es auch ok.

Die feste Kralle im Nacken hat sich gelöst. Und am Ende ist´s eh so: Nobody cares!

Run happy. Be happy.
Deine Anna