12 Anzeichen, dass du im Übertraining bist

Buch Trailrunning für Frauen von Anna Hughes

Als junges Mädchen wollte ich Ballettänzerin werden, am liebsten eine Primaballerina.

Im Unterricht beneidete ich die anderen Tänzerinnen, wie sie locker flockig in den Spagat hinabgleiten konnten. Doch es gelang mir nie und irgendwann gab ich frustriert auf. Vielleicht war ich zu ungeduldig, wollte zu viel auf einmal, oder ... das Training reichte noch nicht aus.

Die Moral von der Geschichte: Auch der Spagat zwischen deinem Training und der nötigen Erholung gelingt nicht immer. Wie sehr du dich auch in deinem Alltag bemühst, alles perfekt hinzubekommen, sollte immer eine Handbreit übrig sein für Improvisation und Flexibilität.

Jede von uns hat ihren eigenen Spagat zu meistern. Manchen gelingt er mehr, anderen weniger. Es ist vielleicht sogar gut, nicht immer alles bis zum Maximalen auszuschöpfen, sondern zu schauen, dass es okay ist, an manchen Tagen den täglichen Spagat aus beruflichen und familiären Verpflichtungen sowie das Training nur halb zu schaffen und auch damit zufrieden zu sein.

Und dann gibt es da noch den Begriff „Übertraining“, der dir sicher geläufig ist.

Das ist das Phänomen des überdehnten Spagats und passiert, wenn wir mit einer Kombination aus Druck und übermäßigem Ehrgeiz den Bogen überspannen und uns in den Spagat begeben, bis es schmerzt. Genau dann ist es schon zu spät.

Der Spagat dient uns hier als Metapher.

Die häufigsten Ursachen für ein Übertraining, zu viel zu wollen und dich zu mehr zu zwingen, als dein Körper bereit ist, sind:

  • zu schnelle Steigerung des Umfangs und/oder der Intensität;

  • Schlafmangel über einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen;

  • kontinuierlich schlechte, mangelhafte Ernährung und ungenügende Zufuhr an Nährstoffen;

  • beruflicher Stress sowie private Belastungen, zum Beispiel finanzieller oder gesundheitlicher Natur.

An den folgenden 12 Anzeichen erkennst du, dass du ins Übertraining geschlittert bist:

» Du fühlst dich schnell gereizt und genervt.
» Du hast wenig bis keinen richtigen Appetit mehr, verlierst Gewicht.
» Du bekommst den Puls beim Laufen nicht richtig hoch.
» Du grübelst vor allem nachts über deine Probleme.
» Dein Ruhepuls ist um einige Schläge höher als sonst.
» Du bist antriebslos und wenig bis gar nicht motiviert.
» Du findest innerlich keine Ruhe und bist rastlos.
» Du spürst muskuläre Schmerzen deutlich intensiver als normalerweise.
» Du bist oft verstimmt, leicht depressiv.
» Du kannst deine gewohnte Leistung, z. B. beim Tempotraining, nicht mehr abrufen.

» Du fühlst dich ständig müde.
» Du wachst nachts oft auf und tust dich schwer damit, wieder einzuschlafen.

Als erste Maßnahme kannst du versuchen, eine Trainingspause von 7-14 Tagen einzulegen.

Gar nicht so einfach, ich weiß!

Aber so schenkst du deinem Körper erst einmal eine Portion Ruhe und Erholung, die unter Umständen in der letzten Zeit zu kurz gekommen ist.

Suche nach Möglichkeit deinen Hausarzt auf und lasse ein großes Blutbild erstellen. Auch ein Mangel an gewissen Nährstoffen kann obige Symptome begünstigen.

Das Problem mit der Thematik des Übertrainings ist, dass die Grenzen zwischen dem Setzen gewisser Trainingsreize bis in einen Anstrengungsbereich hinein und dem, was dann zu Übertraining führt, schwer auszumachen sind.

Es ist ein sehr schmaler Grat.

Übertraining entsteht nie über Nacht, sondern schleicht sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen an. Zuletzt war ich davon Ende 2017 betroffen und achte seitdem noch mehr auf ausgewogenes Training und nutze dazu das Trailrunning als Anker im Alltag, nicht immer dafür, auf einen Wettkampf zu trainieren.

Ich merkte von Tag zu Tag, dass ich mich mehr aufraffen musste, um laufen zu gehen, als mir recht war.

Normalerweise kannte ich solche Probleme nicht, sondern freute mich in den meisten Fällen darauf, die Schuhe wieder zu schnüren und durch die Wälder zu laufen.

Hinzu kam, dass ich auf meinen Standardrouten deutlich länger benötigte als sonst, obwohl ich subjektiv den Eindruck hatte, recht flott unterwegs zu sein. Auch verzeichnete ich eine stärkere Gereiztheit und fühlte mich mit vielen Dingen im Alltag überfordert.

Normalerweise wuppte ich diesen oft recht gut, nicht so zu diesem Zeitpunkt.

Du kennst sicher auch eine gewisse Neigung zur Weinerlichkeit in den Tagen vor den Tagen. Bei Übertraining tritt diese Weinerlichkeit auch einfach so zwischendurch auf. Definitiv kein gutes Zeichen. Ich nahm mir also notgedrungen eine Zwangspause und wartete ab, was passierte.

Es gibt Formen von Übertraining, von denen man sich im schlimmsten Fall nicht mehr erholt oder nur sehr, sehr langsam. Das traf zum Glück in meinem Fall nicht zu, dennoch nahm ich dies als deutliches Warnsignal, ein bisschen kürzer mit meinen Ambitionen zu treten.

Es war in dem Jahr, als die beschriebenen Symptome auftraten, auch viel in meinem privaten und beruflichen Leben losgewesen.

Ich hatte einige Ultras in den Beinen, fünf Etappen des Transalpine Runs geschafft – aufgrund von Problemen meines Laufpartners war die gemein- same Entscheidung gefallen, bei Etappe 5 auszusteigen – und viel Druck in meiner Selbstständigkeit.

Und dann machte es peng.

Damit du einen solchen Knall nicht erst hören musst, um kürzer zu treten, versuche wirklich, so gut es geht, auf dich zu achten.

Mehr Training geht eigentlich immer. An den einen Lauf hängst du 15 Minuten extra dran, an den nächsten vielleicht gleich eine halbe Stunde und schwups stehst du da mit den ersten Anzeichen von Übertraining.

Übe dich darin, deinen Körper beim Laufen wahrzunehmen. Eine einfache Übung ist, mit dir ganz in Kontakt zu kommen. Laufe dich zunächst 10-15 Minuten warm und lenke dann den Fokus ganz auf die Atmung und deine Körperbewegungen.

  • Könntest du dich noch einigermaßen locker unterhalten, ohne in Schnappatmung zu verfallen?

Solche Läufe sollten den Großteil, etwa 80-85 Prozent, deiner gesamten Trainingszeit ausmachen.

Während viele Pulsuhren mit ihren integrierten Pulsmessern irritierend oft danebenliegen können, kann dich deine Atmung nie täuschen. Bleibst du mehr der Methodik treu, dich mehr auf deine Atmung zu verlassen und dich daran zu orientieren, kannst du kaum in ein Übertraining rasseln.

Zum Glück legten sich die Symptome innerhalb von wenigen Wochen.

Die kleine Auszeit von der Trainingsroutine wirkte ein kleines Wunder, die Batterien konnten wieder aufgeladen werden und spätestens, wenn die innere Motivation sich wieder zeigt und laut „juhu“ ruft, weißt du, dass du mit gutem Gewissen wieder laufen kannst.

Im Jahr darauf lief ich zunächst den Basetrail im Rahmen des ZUT (Zugspitz Ultratrail), einen 35 Kilometer langen Trailrun im Stubai mit und im Herbst einen 100-Kilometer-Ultratrail im Monte Rosa. Die Vorbereitung darauf schaffte ich mit einem Trainingsaufwand von durchschnittlich nicht mehr als acht Stunden und platzierte mich als vierte Gesamtfrau und Erste in meiner Altersklasse.

Extra Tipp: Das meine ich damit, wenn es darum geht, den Spagat zwischen Training und Erholung zu meistern. Es ist manchmal besser, du zwingst dich nicht ganz bis zum Boden, über deine Grenze hinaus und hast so viel bessere Chancen, langfristig fit und gesund zu bleiben.

Falls du Fragen zu diesem Thema hast oder selbst einen Tipp parat hast, schreib sie einfach in die Kommentare.

Run happy. Be happy.

Deine Anna

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