Buch Trailrunning für Frauen

Buch Trailrunning für Frauen

Ich erinnere mich noch gut an meine ersten richtigen Laufschritte, damals im zarten Alter von 14 Jahren, an der Seite meiner Mutter. Ich hatte meine Hallenturnschuhe hervorgekramt, T-Shirt und Jogginghose angezogen und war ihr stillschweigend in den Wald gefolgt.

Sie hatte mich aufgefordert, mit ihr eine lockere 10-Kilometer-Runde zu laufen.

Bis zu jenem Zeitpunkt hatte ich diverse Sportarten probiert, verschiedene Musikinstrumente gelernt. Ich habe einfach gern Neues ausprobiert, doch bei keiner Sportart war der Funke übergesprungen, hat eine Leidenschaft entfacht.

Eine Stargeigerin oder Pianistin war auch nicht aus mir geworden.

Keine Ahnung, woher meine Mutter damals das Vertrauen hatte, dass mir ausgerechnet das Laufen so ans Herz wachsen würde. Vielleicht war es auch nur eine einfache Aufforderung. Genau an jenem kühlen Herbsttag Mitte der 1990er-Jahre (ja, so lange ist das wirklich schon her) passierte es. Wir starteten in einem für sie gewohnten gemütlichen Tempo in den Wald.

Dann, nach einem knappen Kilometer, ging mir die Puste aus.

Keuchend stützte ich die Hände auf meine Knie und bedeutete meiner Mutter, sie solle allein weiterlaufen. Leicht bedröppelt trottete ich zum Parkplatz zurück. Ich erinnere mich noch genau, wie beseelt ich mich in diesem Moment gefühlt hatte. Zwar war ich nicht in der Lage gewesen, die ganze Strecke mitzulaufen, aber ich war alles andere als enttäuscht.

Das Feuer war entfacht.

Über zwei Jahre waren zu jenem Zeitpunkt vergangen, seit mein Vater und meine Oma auf tragische Weise tödlich verunglückt waren. Mit dem kurzen Ausflug ins Laufen war es um mich geschehen. Ich wollte mehr davon und begann regelmäßig zu laufen.

Nach wenigen Wochen war ich imstande, die 10-Kilometer-Runde am Stück im Wald zu laufen, trat einem Leichtathletikverein bei und trainierte dort in einer Jugend-Trainingsgruppe. Mit einer Karriere auf der Mittelstrecke wurde es dann nichts, aber mir wurde schnell klar, dass ich längere Strecken laufen wollte und nahm 1998, im zarten Alter von 18 Jahren, meinen ersten Marathon in Berlin unter die Füße.

Ich hatte in der Vorbereitung auf diese 42,195 Kilometer, am Vortag des Starts und während des eigentlichen Laufs, alle klassischen Fehler gemacht, die man machen konnte, wirklich alle. Die Ziellinie habe ich trotzdem überquert und ich erkannte, dass immer noch ein bisschen geht, selbst wenn der Körper schon gefühlt in tausend Teile zerbrochen scheint.

Getrieben von der Neugier, was passiert, wenn man sich immer wieder freiwillig neuen Herausforderungen stellt, führte mich der Weg 2008 nach Marokko. Sechs Tage lief ich mit 800 anderen verrückten Läufern aus aller Welt 250 Kilometer fernab von ausgebauten Straßen durch die erbarmungslose Hitze, über Dünen und ausgetrocknete Salzseen in der Sahara.

Das Erreichen dieser Ziellinie markierte einen Neuanfang auf vielen Ebenen, als Mutter zweier kleiner Töchter, damals noch in einer Ehe steckenden Frau und Läuferin.

Trailrunning war damals noch längst nicht so bekannt wie heute. Schritt für Schritt tauchte ich in diese spannende Welt ein und meldete mich nach dem Laufabenteuer in der Wüste spontan zu Trailrunningveranstaltungen an. 

Damals wusste ich weder etwas über den Einsatz von Stöcken noch von speziellen Laufrucksäcken, geschweige denn, wie sich das Training auf Trails vom herkömmlichen Straßenlauf unterscheidet.

Ich probierte alles Mögliche aus und fand schließlich einen roten Faden, an dem ich mich seither im Training orientiere. Dabei ist Training so viel mehr, als nur starr einem Plan zu folgen. Oft lasse ich mich in alle möglichen Richtungen treiben, genieße hier und da Ausblicke in die Landschaft und fühle, wie der Wind mir um die Nase weht.

Trailrunning kann und gibt so viel. Kaum ein Sport lässt uns Kraft- und Ausdauertraining so ideal vereinen. Gerade als Frau ist der Körper neu spürbar und birgt die Möglichkeit, besser auf die eigenen Bedürfnisse zu achten.

Trailrunning ist alles andere als monoton.

Es ist eine Einladung, sich auf dieser großen Spielwiese Natur mit allem, was sie hergibt, auszutoben. Es gibt keine festen Regeln, fast alles ist erlaubt.

Diese Lektüre soll dir das Laufen über Stock und Stein in all seinen Facetten nahebringen und den teils rauen Ruf, den dieser Sport auch mit sich bringt, etwas mildern. Trailrunning erfordert ein paar Kniffe und Techniken, die du leicht erlernen kannst und dir das Laufen auf Trails ungemein erleichtern. Du musst weder einen Marathon gelaufen sein noch unbedingt an einem Wettkampf teilnehmen müssen.

Du entscheidest, in welche Richtung dich Trailrunning führen soll. Und die Richtung darf auch jederzeit veränderbar sein und bleiben. Beim Trailrunning ist nichts in Stein gemeißelt.

Im Vordergrund steht, dir mit diesem Buch das Rüstzeug an die Hand zu geben, speziell auf dich als Läuferin ausgerichtet. Wir Frauen haben andere Bedürfnisse und Ansprüche. Selten werden diese thematisiert, was auch Teil der Intention war, dieses Buch zu schreiben.

Du musst also nicht halsbrecherische Sprünge über steinige Felsen im Hochgebirge machen, um Teil dieser Community zu sein. Es reicht vollkommen aus, wenn du wie ich damals (und noch heute) offen und neugierig bist, dazuzulernen und dich abseits der Straße weiterzuentwickeln. Wie gern hätte ich damals etwas in den Händen gehabt, was alles Relevante zu diesem Thema zusammenfasst, anstatt mühevoll alles aus diversen Quellen zusammensuchen zu müssen.

Diese Lektüre tut genau das.

Möge dich dieses Buch lange auf deinem Weg begleiten, dich nachdenken lassen und genauso dazu inspirieren, Dinge in die Praxis umzusetzen. Du kennst das sicher: Wissen allein reicht nicht, Handeln ist besser.

Laufen ist bis heute ein fester Anker in meinem Leben, mein stiller Begleiter durch alle Höhen und Tiefen, die das Leben bereithält. Nichts schenkt mir ein so tiefes Gefühl von Freiheit, Genugtuung und innerer Zufriedenheit wie ein Lauf über wurzelige Waldpfade, einen steinig-felsigen Singletrail oder über einen einfachen Waldweg.

Seit einiger Zeit bringe ich Läuferinnen die Passion Trailrunning an Erlebniswochenenden in Garmisch nahe und rede in meinem eigenen Podcast Laufen und Leben regelmäßig über das ganz normale Läuferleben.

Ich wünsche dir von Herzen, dass auch du diese Freiheit, dich leicht durch die Natur zu bewegen, erleben kannst. Trailrunning bringt dich weiter, lädt ein zum Innehalten, Nachdenken und dazu, einfach mal die Dinge im wahrsten Sinn des Wortes laufen zu lassen.


Run happy. Be happy. (Eifrige Podcast-Zuhörerinnen kennen diesen Spruch!)

Deine Anna

Zurück
Zurück

So kommst du nicht so schnell aus der Puste

Weiter
Weiter

Bye bye Strava