Übers Ziel hinaus geschossen - Das ist echt die Krönung!

Die Überschreitung des Jubiläumsgrats erfordert bei jedem Schritt Konzentration.

Alle Fotos: Thomas Leuchten


„Einen unglaublichen Geschwindigkeitsrekord haben sie aufgestellt“, heißt es in einem Artikel aus dem Garmisch-Partenkirchener Tagblatt.

Es handelt sich um zwei Sportler, die in Windeseile vom Tal zur Zugspitze hoch gelaufen sind, schnell den Jubiläumsgrat mitgenommen haben, um dann wieder zurück ins Tal zu flitzen. Klar, Spitzenleistungen wie diese verdienen Beachtung.

Doch ich äußere mich dazu sehr kritisch, denn seit einigen Jahren beobachte ich den zunehmenden Trend, dass nun auch Grate möglichst schnell abgegrast werden, von Frauen wie von Männern.


Quelle: Garmisch-Partenkirchner Tagblatt vom 08.08.2024


Ende September 2018 wandelte ich selbst, bei guten Bedingungen, auf diesem Grat und schwor mir danach: Einmal und nie wieder, denn zu Hause wartete nicht nur die Familie.

An einer Stelle war es knapp. Ein etwa 2-Meter kurzer Abschnitt auf der Nordseite, zu der Jahreszeit immer noch vereist. Mein sehr erfahrener Kumpel und Kletterpartner ging voraus. Ich konnte mich selbst an der Felswand nicht mehr sichern, bekam kurz Panik. Wusste nicht mehr, wo ich den Fuß sicher hinsetzen sollte, war wie benebelt.



Thomas brüllte, linke Hand hierhin, rechter Fuß dahin. Tack, tack, tack. Es war knapp. Ein paar Millimeter reichen, ein kleines Vertreterle und schwupps, segelt man hunderte Meter hinab in den sicheren Tod. Das Gestein ist an den meisten Stellen des Grates sehr brüchig, jeder Schritt erfordert höchste Konzentration. Auch ein paar Kletterskills mit in dieses Terrain zu nehmen ist ratsam.

Da bricht nun also der gemeine trendy Trailläufer in aller Herrgottsfrühe auf, schnappt sich die Zugspitze zum Frühstück und düst rastlos weiter, eben über jenen Grat und dann wieder ab ins Tal. Möglichst technisch soll es sein. Meistens geht es gut. Schnell noch ein paar „happy smiles“ im Selfie-Modus gemacht, weiter geht´s. Rasen, als gäbe es kein Morgen.

Auch helmlos habe ich sie schon gesehen, Trailläufer, die es eigentlich besser wissen und zumindest mit gutem Beispiel voran gehen sollten. Das war zumindest immer meine Devise, wenn ich in den Bergen unterwegs war. Aber von sich auf andere zu schließen gestaltet sich ja oft schwierig.

Ja, ich weiß, jeder ist für sich selbst verantwortlich. Selbst schuld, wenn man versuchen will, die FKT einzustanzen oder sich zumindest angestachelt genug fühlt, es doch wenigstens mal zu wagen. Und vielleicht mit dem Leben bezahlt. Wir machen es uns damit zu einfach. Der Pressesprecher der Bergwacht geht nicht davon aus, dass eine solche Aktion viele Nachahmer nach sich zieht.

Am Berg lockt oft die maßlose Selbstüberschätzung, die freie Zeit ist eng getaktet. Möglichst viel in kurzer Zeit erleben, so die Devise.

Wie oft habe ich über sechs Jahre hinweg im Sommer wie im Winter den Helikopter über der Alp-und Zugspitze kreisen gehört und gesehen. Vom Balkon unserer Wohnung aus hatte man eine direkte Sicht auf diese beeindruckende Bergkette.



Drei Jahre schielte ich den Jubigrat aus der Ferne an. Dann, drei Wochen, nachdem ich im Monte Rosa Massiv einen 100 Km Lauf geschafft hatte und mich erholt genug fühlte, gondelten Thomas und ich zur Zugspitze hoch, checkten ein letztes Mal unser Equipment, Wasser und Verpflegung. Sieben Stunden später kamen wir an der Bergstation Osterfelder an, heil und happy.

Die Zeit war mir, sonst so ehrgeiziger Läuferin, egal. Ich spürte noch lange nach dieser Überschreitung eine tiefe Zufriedenheit und Glückseligkeit. Welch ein Wunder, diese Berge!

Den Berg, man kann ihn als Tool sehen, als Werkzeug fürs eigene Ego, ihn sich untertan machen. Oder ihm mit einer Portion Hingabe und Demut begegnen und die Erlebnisse speichern, auch ohne Jagd nach dem nächsten Krönchen.

Besagte Läufer hätten die Runde auch nur für sich laufen und anschließend leise bei einem Bierchen zu zweit im Tal feiern können. Das wäre durchaus professioneller gewesen. Dass sie es an die große Glocke gehängt haben, zeugt auch von der Jagd nach Anerkennung.

Hey, es ist doch nur ein kleines, gelbes Strava-Krönchen!


INFOS ZUM JUBILÄUMSGRAT

Der Grat erstreckt sich auf etwa 8 km Länge und verbindet die Zugspitze (2964 m) und Alpspitze (2628 m) miteinander. Eingestuft als Schwierigkeitsgrad: D 3- ➡️ Senkrechtes, oft überhängendes und sehr ausgesetztes Gelände mit oft weit auseinander liegenden Klammern. Große Armkraft und gute Steigtechnik nötig. Es sind einige hundert Höhenmeter hoch und runter auf dem Grat zu überwinden.

Run happy. Be happy.

Eure Anna

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